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23. Juli 2024

Analyse: Umgehung antizipieren – Die Implikationen der EU-Untersuchung gegen Mononatriumglutamat („consigned from Malaysia“) nach Art. 13 Antidumping Grundverordnung (AD-GVO)

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Mit Veröffentlichung der Durchführungsverordnung (EU) 2024/1976 am 22. Juli 2024 (Amtsblatt L 1976) ist ein streng kontrolliertes Untersuchungsverfahren eingeleitet worden, das die bisherigen Antidumpingmaßnahmen gegen chinesisches Mononatriumglutamat (MSG), wie sie bereits durch die Verordnung (EU) 2021/633 festgesetzt wurden, möglicherweise erheblich ausweiten wird. Vor dem Hintergrund einer zunehmend restriktiven Antidumpingpraxis lohnt eine genaue Analyse, gerade auch aus strafprozessualer Perspektive.

Zielrichtung der Untersuchung: Konsignationen und Marktverlagerung

Die Kernregelung zielt darauf ab, Einfuhren von MSG aus Malaysia, unabhängig davon, ob diese originär dort produziert oder nur umgeschlagen wurden („consigned from Malaysia“)​, unter eine potenzielle Umgehungstatbestandsprüfung gemäß Art. 13 Abs. 3 AD-Grundverordnung zu stellen – verbunden mit einer sofortigen Registrierungspflicht über neun Monate (§ 14 Abs. 5). Damit adressiert die EU-Kommission Tendenzen zur Verlagerung von Importströmen nach China gezielten Schutzzollmitteln in Richtung Malaysia, mit dem Ziel, das bestehende Zollregime zu unterlaufen. 

Diese Maßnahme wurde auf Antrag von Ajinomoto Foods Europe initiiert, was der Kommission offenbar hinreichende Evidenz zur Bewertung des Umgehungsrisikos lieferte. Die wesentlichen Indizien umfassen: signifikante Marktverlagerungen nach Malaysia, geringe Verarbeitungsintensität in Malaysia sowie Preisverlagerungen bei MSG im Vergleich zu Dumpingwerten – klarer Hinweis auf eine undermining-Praxis im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung. 

Verteidigungsspielräume und rechtliche Reaktionsmöglichkeiten

Für importierende Unternehmen entwickelt sich damit eine potenziell prekäre Lage. Aus unternehmensrechtlicher Sicht kann es bereits im Zuge der Registrierung zur konkreten Zollerhebung kommen. Aus steuerstraffachlicher Sicht droht jedoch bei unterlassener Zahlung ein Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO – wiederum gestützt auf die Annahme eines bedingten Vorsatzes. Entscheidend ist hier die Frage: Hatte der Importeur Kenntnis von den Umgehungsmöglichkeiten bzw. deren rechtlicher Relevanz? War die Veröffentlichung transparent und unmittelbar nach Inkrafttreten ausreichend kommuniziert?

Das Verfahren bietet jedoch Angriffsflächen. So bewerten wir:

  1. Unklare Rechtslage: Liegt rechtlich unscharf definierter „consigned from“–Tatbestand vor, der sich erst durch die Verordnung konkretisiert hat?
  2. Mangelnde Kenntnis: Versandregeln aus verwandten Verfahren (z. B. Edelstahlfälle) sind keine automatische Kenntnis im MSG-Umfeld.
  3. Verteidigungsstrategien: Umfangreiche Dokumentation über Lieferkette und Lagerung. Ist aktiv ein Produktions- oder Bearbeitungsschritt in Malaysia erfolgt – sodass ein tatsächlicher Ortswechsel vorliegt?
  4. Formelles Gehör: Antrag auf Anhörung und ggf. Nutzung von Art. 13 Abs. 4 (Ausnahmeregelung für unbeteiligte Produzenten) muss binnen 15 Tagen nach Veröffentlichung gestellt werden – Fristgerechtigkeit als Verteidigungsstrategie.

In der Zusammenschau verdeutlicht dieses Verfahren exemplarisch, wie Außenhandelsmaßnahmen zunehmend mit Steuerstrafrecht kollidieren. Dies erfordert spezialisiertes Know-how: zum einen im Verständnis globaler Lieferketten und Zollverfahrensrecht, zum anderen in der Strafverteidigung, die gezielt Wissenslücken, mangelnden Vorsatz und Verfahrensmängel ausnutzt.

Als Kanzlei mit ausgewiesener Erfahrung in Zoll- und Wirtschaftsstrafverfahren bieten wir Ihren Mandanten kompetente und fundierte Unterstützung – sowohl in der Prävention und Dokumentation als auch im vollumfänglichen Verteidigungsprozess. Wir empfehlen:

  • Umgehungsriskikoanalyse bereits im Vorfeld, auch bei laufendem Verfahren
  • Detaillierte Nachweise zur Arbeits- oder Prozessverlagerung in Malaysia
  • Rechtzeitige Nutzung formeller Gehörmöglichkeiten
  • Strategische Vorbereitung einer Verteidigungslinie gegen Vorsatzannahmen

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