Vom Handelskrieg zum Systemkonflikt
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump im Januar 2025 hat sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China dramatisch verschärft. Innerhalb weniger Monate hat die US-Regierung Zölle in schwindelerregender Höhe auf zentrale Exportgüter aus China verhängt:
- 125 % auf Elektrofahrzeuge,
- 100 % auf Batterien, Solarmodule und Halbleiter,
- 25–50 % auf Stahl, Aluminium, Textilien und chemische Produkte.
Diese Zölle treffen nicht nur einzelne Branchen, sondern die strategischen Zukunftsfelder der chinesischen Wirtschaft. Zudem haben die erratischen Veränderungen der Zollsätze durch den US-Präsidenten den chinesischen Unternehmen die Planungssicherheit genommen und das Geschädt zwischen China und den USA unkalkulierbar gemacht. Viele Exporteure haben daher begonnen, ihre Lieferströme weg von den USA in Richtung Europa umzulenken.
Doch der vermeintlich sicherere Hafen Europa hat auch seine Tücken.
Die Europäische Union reagiert leiser, aber systematischer als die US-Administration: Sie errichtet ein dichtes Netz aus Antidumpingmaßnahmen, Subventionskontrollen, CO₂-Grenzausgleichsmechanismen (CBAM) und Lieferkettenpflichten, das chinesische Exporteure immer stärker betrifft.
Kurzlage: Die neue europäische Handelsrealität
1. Antidumpingzölle auf zentrale Exportgüter aus China
Seit Jahren bestehen hohe Zölle auf E-Bikes, Solarmodule, Aluminiumprodukte, Keramikfliesen und Stahl.
Aktuell prüft die EU zusätzliche Zölle auf Elektroautos, nachdem die Kommission zu dem Ergebnis kam, dass chinesische Hersteller von staatlichen Subventionen profitieren.
Die drohenden Zollsätze liegen zwischen 17 % und 38 %, können aber – wie frühere Fälle zeigen – auch rückwirkend erhoben werden.
2. Neue Regulierungsinstrumente der EU
Die Foreign Subsidies Regulation (FSR) verpflichtet Unternehmen, staatliche Unterstützung aus Nicht-EU-Ländern offenzulegen – ein massives Thema für chinesische Konzerne.
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) verlangt den Nachweis der CO₂-Emissionen bei der Herstellung bestimmter Waren (u. a. Stahl, Aluminium, Düngemittel, Strom).
Mit dem EU-Lieferkettengesetz (CS3D) wird erstmals auch von außereuropäischen Zulieferern verlangt, Umwelt- und Sozialstandards nachzuweisen.
3. Wachsende Zahl strafrechtlicher Ermittlungen in Europa
Die Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) ermittelt in mehreren Mitgliedstaaten wegen angeblicher Umgehung von Antidumpingzöllen durch chinesische Lieferketten.
In Deutschland und Italien laufen Verfahren, in denen Waren über Malaysia, Vietnam oder die Türkei umgeleitet wurden, um EU-Zölle zu vermeiden.
In diesen Fällen wird nicht nur Zollrecht, sondern auch Strafrecht angewendet – bis hin zu Vorwürfen des bandenmäßigen Betrugs (§ 263 StGB) oder der Zollhinterziehung (§ 370 AO).
Analyse: Warum Europa schwieriger wird
1. Von Zöllen zu Systemkontrolle
Die USA und die EU verfolgen unterschiedliche Strategien, zielen aber auf dasselbe Ziel:
Schutz strategischer Industrien und Kontrolle globaler Lieferketten.
Während die USA mit offenen Strafzöllen arbeiten, nutzt die EU ein komplexes System aus Verwaltungs-, Wettbewerbs- und Umweltrecht.
Das Ergebnis ist für Exporteure nicht viel weniger gefährlich:
- Die Verfahren sind langwierig, aber mit hoher Erfolgsquote der EU-Kommission.
- Schon ein kleiner formaler Fehler – etwa ein fehlerhaftes Ursprungszeugnis – kann Millionen kosten.
- Verstöße führen nicht nur zu Nachzahlungen, sondern auch zu strafrechtlicher Einziehung und Kontosperren.
2. Das Transshipment-Risiko
Viele chinesische Unternehmen verlagern Teile ihrer Produktion oder den Versand in Drittländer, um Zölle zu umgehen. Doch wenn die EU feststellt, dass dort keine substanzielle Wertschöpfung stattfindet, gilt das als Umgehungstatbestand.
Die Folgen:
- Nachforderung des vollständigen Antidumpingzolls,
- Beschlagnahme der Waren,
- Ermittlungsverfahren gegen Importeur und Lieferanten.
3. Compliance als Überlebensstrategie
Für Exporteure aus China ist der EU-Markt nicht verloren – aber er erfordert eine neue Professionalität:
- Ursprungs- und Produktionsnachweise müssen nachprüfbar und vollständig sein.
- Subventionsquellen sollten dokumentiert und transparent erklärt werden.
- Interne Audits sollten sicherstellen, dass keine problematischen Lieferkettenabschnitte bestehen.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen unterschätzen, dass sich die EU-Zollbehörden und die EPPO zunehmend international vernetzen.
Was früher eine Zollfrage war, ist heute oft ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Fazit: Europa verlangt rechtssichere Strategien
Der Weg nach Europa bleibt offen – aber nur für Unternehmen, die regelkonform, nachvollziehbar und transparent handeln. Der Markt ist groß, die Kontrollen und die Risiken aber auch. Sie sollten vorbereitet sein.
Empfehlungen für chinesische Exporteure:
- Compliance-System aufbauen – mit klaren Zuständigkeiten für Zoll, Exportkontrolle und Dokumentation.
- Wertschöpfungsketten prüfen – insbesondere bei Produktion in Drittländern (Malaysia, Vietnam, Thailand).
- Rechtsberatung einbeziehen – frühzeitig prüfen, ob bestehende Strukturen mit EU-Zoll- und Beihilferecht vereinbar sind.
- Reaktionsplan für Ermittlungsmaßnahmen – um im Ernstfall schnell handeln zu können, wenn Zollbehörden oder EPPO aktiv werden.


