1. Einleitung: Außenhandel mit Risiko
In Zeiten geopolitischer Spannungen zwischen China, den USA und Europa rücken außenwirtschaftsrechtliche Compliance-Fragen zunehmend ins Zentrum unternehmerischer Aufmerksamkeit. Besonders sensibel ist der Bereich der Exportkontrolle. Hier steht nicht nur die unmittelbare Ausfuhr in bestimmte Staaten im Fokus, sondern auch der Endverbleib und die tatsächliche Verwendung exportierter Güter und Technologien.
Ein wachsendes Risiko ergibt sich aus Lieferketten und Geschäftsstrukturen, die einen direkten China-Bezug verschleiern. Wenn Produkte, Software oder Technologien genehmigungspflichtig wären, aber über Umwege nach China gelangen, drohen Unternehmen und Verantwortlichen in Deutschland erhebliche strafrechtliche Konsequenzen – selbst dann, wenn der unmittelbare Export gar nicht nach China erfolgt ist.
2. Relevanter Rechtsrahmen: AWG, AWV und EU-Dual-Use-VO
Das deutsche Außenwirtschaftsgesetz (AWG) in Verbindung mit der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und der EU-Dual-Use-Verordnung (VO (EU) 2021/821) bildet den Kern des Exportkontrollrechts. Die maßgeblichen Bestimmungen für die strafrechtliche Bewertung sind insbesondere:
- § 8 AWG, der die gesetzliche Grundlage für Genehmigungsvorbehalte und Verbote bildet;
- § 18 AWG, der Strafvorschriften für Verstöße gegen solche Verbote enthält;
- § 19 AWG, der Strafbarkeit bei vorsätzlichem oder leichtfertigem Verstoß gegen außenwirtschaftsrechtliche Pflichten anordnet.
Ergänzt wird dieser Rahmen durch spezifische Genehmigungspflichten für sogenannte „Dual-Use-Güter“ – also Güter, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können – sowie für bestimmte Endverwender oder Endverwendungen.
3. Praxisrelevante Fallkonstellationen: Der „versteckte China-Bezug“
a) Export über Drittstaaten bei geplanter Weiterleitung
Ein typisches Risikoprofil ergibt sich bei der Lieferung genehmigungspflichtiger Güter an Kunden in Drittstaaten wie Singapur oder Malaysia, die diese Produkte planmäßig nach China weiterexportieren. Häufig wird dabei eine Endverbleibserklärung vorgelegt, die nicht offenlegt, dass die eigentliche Nutzung in China erfolgen soll. Für den deutschen Exporteur kann dies zur Strafbarkeit führen, wenn er den tatsächlichen Endverbleib kennt oder grob fahrlässig verkennt.
b) Technologietransfer an europäische Konzerntöchter chinesischer Unternehmen
In der Beratungspraxis zunehmend relevant sind Fälle, in denen deutsche oder europäische Niederlassungen chinesischer Konzerne mit Software oder technischem Know-how beliefert werden. Erfolgt die eigentliche Nutzung – etwa durch konzerninterne Weiterleitung – in China, liegt ein kontrollpflichtiger Technologietransfer vor. Die Genehmigungspflicht ergibt sich auch bei immateriellen Gütern und kann bei Missachtung einen Verstoß gegen § 18 AWG begründen.
c) Formell korrekte, aber inhaltlich unzutreffende Endverbleibserklärungen
Ein besonders heikles Feld ist die Vorlage von Endverbleibserklärungen, die den tatsächlichen Endverwender verschleiern – etwa durch Strohfimen oder Zwischenhändler. Selbst wenn die Erklärung formal gültig ist, reicht es für eine Strafbarkeit, wenn der Exporteur bei üblicher Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Angaben nicht der Realität entsprechen. Die Strafbarkeit ist in diesen Fällen über § 19 AWG wegen leichtfertigen Verhaltens möglich.
4. Strafrechtliche Bewertung: Leichtfertigkeit und Organisationsverschulden
Ein entscheidendes Merkmal des außenwirtschaftsstrafrechtlichen Systems ist die Einbeziehung der Leichtfertigkeit als strafbarkeitsbegründendes Merkmal in § 19 AWG. Anders als in vielen klassischen Strafnormen genügt es hier bereits, wenn der Täter die Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzt hat – was insbesondere bei unterlassenen Prüfungen, bekannten Warnsignalen oder Branchenüblichkeit der Fall sein kann.
Auch das strafrechtlich relevante Unterlassen spielt eine Rolle: Wer etwa für Exportkontrolle zuständig ist und bei erkennbaren „Red Flags“ nicht nachfragt oder prüft, kann sich durch pflichtwidriges Unterlassen strafbar machen. Dies gilt umso mehr, wenn der betroffene Akteur eine Garantenstellung innehat, etwa als Geschäftsführer oder Compliance-Beauftragter.
Bei systematischem Organisationsversagen – etwa beim Fehlen funktionierender Exportkontrollprozesse – kommt eine Haftung des Unternehmens selbst nach § 30 OWiG in Betracht. Verstöße gegen die Aufsichtspflichten nach § 130 OWiG sind dann Ausgangspunkt für Unternehmensgeldbußen in empfindlicher Höhe.
5. Fazit: Exportkontrolle endet nicht an der Grenze – und China nicht am Etiket
Im außenwirtschaftsrechtlichen Kontext ist nicht entscheidend, was auf dem Frachtpapier steht – sondern was tatsächlich mit der Ware oder der Technologie geschieht. Wer genehmigungspflichtige Güter exportiert, muss den tatsächlichen Endverbleib sorgfältig prüfen. Ein versteckter China-Bezug, sei es durch Umverpackung, Zwischenschaltung von Tochtergesellschaften oder irreführende Endverbleibserklärungen, kann erhebliche strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Die Praxis zeigt:
Die Schwelle zur Strafbarkeit ist im Exportkontrollrecht ungewöhnlich niedrig. Für Strafverteidiger, Inhouse-Juristen und Compliance-Verantwortliche ist fundiertes Wissen über die Außenwirtschaftsnormen daher unerlässlich.
Praxis-Checkliste: 6 Punkte zur Vermeidung strafbarer Exportverstöße
- Endverbleib hinterfragen: Nicht nur deklaratorisch prüfen, sondern aktiv verifizieren, wer der tatsächliche Endnutzer ist.
- Zwischenhändler kritisch prüfen: Besonders bei Vertrieb über Singapur, Hongkong, Malaysia oder UAE: Ist der Zwischenhändler wirtschaftlich oder organisatorisch mit einem chinesischen Unternehmen verbunden?
- Technologietransfer erfassen: Auch immaterielle Exporte – etwa Quellcode, Software-Updates oder technische Zeichnungen – können genehmigungspflichtig sein.
- Warnsignale dokumentieren: Auffällige Preisgestaltung, Eile, fehlende Substanz beim Geschäftspartner – alle „Red Flags“ sollten revisionssicher festgehalten und bewertet werden.
- Vertragliche Zusicherungen einholen: Klare Exportklauseln und Garantien zum Endverbleib helfen zivil- wie strafrechtlich, Verantwortlichkeiten abzugrenzen.
- Exportkontroll-Compliance als Pflichtaufgabe: Einrichtung eines internen Kontrollsystems (ICS), Schulungen und regelmäßige Überprüfungen sind unverzichtbar – insbesondere bei Hochtechnologie und Dual-Use-Geschäften.