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14. November 2024

Korruption, Umsatzsteuer und Strafverteidigung – Strategien nach der BFH-Entscheidung vom 25.09.2024

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Fälle der Korruption können nicht nur strafrechtliche Konsequenzen haben, sondern auch umsatzsteuerliche Fragen aufwerfen. Die BFH-Entscheidung vom 25.09.2024 (XI R 6/23) beleuchtet genau dieses Spannungsfeld und ist für die Strafverteidigung in Korruptionsfällen von großer Bedeutung. In diesem Artikel erläutern wir, wie Bestechungsgelder umsatzsteuerlich behandelt werden, warum eine doppelte Abschöpfung durch Steuer und strafrechtliche Einziehung problematisch ist und welche Strategien Betroffene und ihre Verteidiger kennen sollten.

Korruptionsfälle und Steuerrecht: Umsatzsteuerliche Behandlung von Bestechungsgeldern

Auch illegale Einnahmen unterliegen in Deutschland grundsätzlich der Steuer – so bestimmt es § 40 AO für alle Steuerarten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun klargestellt, dass dies auch für Bestechungsgelder im geschäftlichen Verkehr gilt. Im Klartext: Zuwendungen, die jemand im Rahmen einer Korruptionshandlung erhält, können als steuerbarer Umsatz angesehen werden. Entscheidend ist dabei, dass die zugrundeliegende Leistung nicht selbst verboten ist. So wurde im entschiedenen Fall die „Auswahlentscheidung“ eines Projektleiters – also die Bevorzugung eines bestimmten Auftragnehmers gegen Vorteil – als reguläre (wenn auch korrupte) Leistung im wirtschaftlichen Verkehr bewertet.

Praxisbeispiel BFH-Fall: Ein Ingenieur erhielt für die Vergabe von Aufträgen kostenlose Bauleistungen an seinem Privathaus. Diese Vorteile wurden später als Bestechungsgelder eingestuft und vom Strafgericht eingezogen. Zuvor hatte jedoch das Finanzamt die erhaltenen Leistungen als steuerpflichtiges Entgelt behandelt und Umsatzsteuer darauf erhoben – obwohl der Ingenieur die Vorteile letztlich an den Staat abführen musste (rsw.beck.de). Der BFH entschied, dass zwar grundsätzlich Umsatzsteuer auf solchen Vorteilszuwendungen entsteht, aber die Bemessungsgrundlage um eingezogene Beträge zu kürzen ist. Mit anderen Worten: Soweit der Staat das Bestechungsgeld durch Einziehung abgeschöpft hat, muss keine Umsatzsteuer darauf gezahlt werden. Diese BFH-Entscheidung schafft wichtige Klarheit für die Praxis, damit Betroffene nicht doppelt belastet werden.

Doppelbelastung: Besteuerung und strafrechtliche Einziehung gleichzeitig?

Die doppelte Abschöpfung eines illegal erlangten Vorteils – einmal durch das Steuerrecht und zusätzlich durch die strafrechtliche Einziehung – wird als problematisch angesehen. Der BFH bezeichnet eine solche Doppelbelastung als unzulässig (rsw.beck.de). Warum? Weil der wirtschaftliche Vorteil für den Täter bereits durch die strafrechtliche Einziehung des Erlangten neutralisiert wird. Muss er dennoch darauf Steuern zahlen, würde der Staat faktisch zweifach kassieren – eine Belastung, die außer Verhältnis steht. Das widerspricht dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Gleichbehandlung und der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der BFH hat sich daher an der Linie des Bundesverfassungsgerichts orientiert und die sogenannte „steuerliche Lösung“ angewandt: Ist ein Betrag strafrechtlich eingezogen, mindert dies nachträglich die steuerliche Bemessungsgrundlage. Bereits festgesetzte Steuerbescheide sind in dem Moment zu korrigieren, in dem die Einziehung erfolgreich vollzogen wird Entscheidung des Bundesfinanzhofs.

Verteidigungsvorteil: Für Strafverteidiger bedeutet dieses Urteil, dass sie im Verfahren darauf hinwirken können, eine Doppelbelastung zu vermeiden. War vor der BFH-Entscheidung unklar, wie mit der Umsatzsteuer auf eingezogene Bestechungsgelder umzugehen ist, so liefert das Urteil nun ein starkes Argument. Die Verteidigung kann geltend machen, dass ihr Mandant nach der Einziehung keiner weiteren steuerlichen Zahlungspflicht für denselben Betrag unterliegen darf rsw.beck.de. Sollte das Finanzamt dennoch auf die Besteuerung bestehen, kann auf die BFH-Rechtsprechung und notfalls auf die Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG – Gleichheitssatz) verwiesen werden. Kurz gesagt: Zwei Mal zahlen ist einmal zu viel – dieser Grundsatz sollte in der Praxis durchgesetzt werden.

Tathandlungen und strafrechtliche Risiken: Wann führt Korruption zu Steuerpflicht?

Korruptives Verhalten zieht nicht nur strafrechtliche, sondern oft auch steuerliche Risiken nach sich. Welche Handlungen können also zu einer Steuerpflicht illegaler Einnahmen führen? An erster Stelle steht hier die Annahme von Bestechungsgeldern (aktive und passive Bestechung im Geschäftsverkehr oder im öffentlichen Dienst). Wer etwa als Arbeitnehmer oder Amtsträger heimlich Geld oder Sachleistungen für eine bevorzugte Auftragsvergabe annimmt, erzielt ein rechtswidriges Einkommen, das gleichwohl der Einkommen- und Umsatzsteuer unterliegen kann. Unterlässt der Empfänger die Angabe dieser Einnahmen in der Steuererklärung, macht er sich zusätzlich der Steuerhinterziehung strafbar. Im BFH-Beispiel wurde der Ingenieur denn auch wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung verurteilt – ein typisches Szenario in Korruptionsfällen.

Auch andere illegale Einkünfte sind steuerlich riskant: Schmiergeldzahlungen, Kickback-Zahlungen oder verdeckte Provisionen im Geschäftsleben gelten steuerlich als Einnahmen. Ebenso führen Veruntreuungen oder Betrugshandlungen zu bereichernden Einnahmen, die das Finanzamt auf den Plan rufen können. Grundsätzlich gilt: Illegal erworbenes Geld ist nicht steuerfrei – der Staat möchte am ungerechtfertigten Gewinn beteiligt werden, sofern kein ausdrückliches Steuerverbot greift. Ausnahmen bestehen allenfalls bei Geschäften, die absolut verboten sind (z.B. gewisse Drogengeschäfte), wo die Rechtsprechung der EU in Einzelfällen eine Umsatzsteuerbarkeit verneint. In Korruptionsfällen jedoch – etwa bei Bestechung im geschäftlichen Verkehr – gibt es kein derartiges Totalverbot. Die Folge: Der Vorteil aus der Tat ist steuerpflichtig, und wer ihn verschweigt, dem drohen neben den Korruptionsvorwürfen auch steuerstrafrechtliche Ermittlungen.

Verteidigungsansätze bei illegalen Einnahmen:

In der Praxis können Strafverteidiger versuchen, Steuerpflicht und Strafbarkeit der Tat auseinanderzuhalten. Ein Ansatz kann sein, zu prüfen, ob tatsächlich ein umsatzsteuerbarer Vorgang vorliegt – etwa ob der Vorteil im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit geflossen ist. Im Einzelfall ließe sich argumentieren, dass der Begünstigte gar kein Unternehmer im Sinne des UStG war (z.B. wenn die Vorteilsnahme völlig außerhalb jeder beruflichen Tätigkeit stand). Auch kann – gestützt auf europäische Ausnahmen – vorgebracht werden, dass bestimmte illegale Handlungen nicht der Umsatzsteuer unterfallen. Diese Verteidigungsansätze sind allerdings nur in wenigen Konstellationen erfolgversprechend. Meist bleibt festzuhalten: Korruptionshandlungen führen steuerlich in die Falle, und wer hier nicht proaktiv handelt, riskiert ein zusätzliches Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung.

Verteidigungsstrategien: Parallel laufende Steuerverfahren und Strafverfahren meistern

Stehen Beschuldigte gleichzeitig vor dem Problem einer Steuerzahlung bzw. Nachzahlung und einer strafrechtlichen Verfolgung, ist eine durchdachte Verteidigungsstrategie essenziell. Wichtig ist zunächst, beide Verfahren aufeinander abzustimmen. Steuerrechtliche und strafrechtliche Schritte sollten nicht isoliert, sondern koordiniert erfolgen. Hier einige Verteidigungsstrategien und präventive Maßnahmen im Überblick:

Frühzeitige Abstimmung mit dem Finanzamt:

Wenn absehbar ist, dass illegale Einnahmen aufgegriffen werden, kann es sinnvoll sein, Steuererklärungen zu berichtigen oder offenzulegen, bevor das Finanzamt von selbst darauf stößt. Eine strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht kommt zwar nur vor Entdeckung in Betracht, doch eine frühzeitige Korrektur kann zumindest strafmildernd wirken. So zeigt der Beschuldigte Kooperationsbereitschaft und verhindert, dass Steuerschulden unnötig anwachsen.

Parallelverfahren gezielt steuern:

Laufen ein Steuerverfahren (z.B. eine Betriebsprüfung oder Steuerfahndung) und ein Strafverfahren wegen Korruption parallel, sollte überlegt werden, ein Verfahren auszusetzen bis das andere geklärt ist. In vielen Fällen wird das Steuerverfahren zurückgestellt, bis strafrechtlich feststeht, was tatsächlich passiert ist. Die Verteidigung kann beantragen, dass etwa der Steuerbescheid vorläufig ergeht oder das Einspruchsverfahren ruht, solange die strafrechtlichen Fragen offen sind. Dies verhindert widersprüchliche Ergebnisse und erspart doppelte Arbeit.

Vermeidung der Doppelbelastung sicherstellen:

Nach der BFH-Rechtsprechung sollte die Verteidigung konsequent darauf drängen, dass eine strafrechtliche Einziehung bei der steuerlichen Berechnung berücksichtigt wird. Konkret heißt das: Wenn im Strafurteil die Einziehung eines Bestechungsbetrags angeordnet wird, sollte zeitgleich oder spätestens danach eine Berichtigung des Steuerbescheids veranlasst werden. Anwälte sollten hierzu sowohl mit der Strafjustiz als auch mit der Finanzverwaltung kommunizieren, damit der Mandant nicht erst Steuern zahlt und anschließend mühsam die Erstattung erkämpfen muss.

Vergleichs- und Verhandlungsstrategien:

In einigen Fällen kann es ratsam sein, mit den Behörden Verständigungen zu treffen. Beispielsweise kann mit der Staatsanwaltschaft erörtert werden, dass bereits durch Steuernachzahlungen der Großteil des Schadens gutgemacht wurde. Umgekehrt kann mit dem Finanzamt verhandelt werden, offene Steuerforderungen im Lichte der drohenden strafrechtlichen Konsequenzen zu reduzieren. Ein steuerlicher Vergleich (tatsächliche Verständigung) über die Höhe hinterzogener Steuern kann möglicherweise die Grundlage für eine geringere strafrechtliche Vermögensabschöpfung legen. Solche Absprachen sind heikel, aber eine erfahrene Verteidigung im Wirtschaftsstrafrecht wird alle Optionen ausloten.

Präventive Compliance-Maßnahmen:

Unternehmen und Führungskräfte sollten bereits im Vorfeld dafür sorgen, dass es gar nicht erst zu solchen Fällen kommt. Compliance-Programme gegen Korruption sind der beste Schutz – sie sensibilisieren Mitarbeiter, machen auf Meldepflichten für Geschenke aufmerksam und etablieren Kontrollen. So lässt sich vermeiden, dass z.B. ein Vertriebsmitarbeiter heimlich Provisionen kassiert oder ein Einkäufer Kickbacks annimmt. Prävention ist immer besser als Nachsorge: Wer Regeln gegen Korruption implementiert, schützt sich auch vor steuerlichen Folgeschäden.

Verfassungsrechtliche Aspekte: Kurz notiert

Obwohl wir die verfassungsrechtliche Seite hier nicht vertiefen, sei erwähnt, dass die Doppelbelastung durch Steuer und Strafe auch grundrechtliche Fragen aufwirft. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits für Einkünfte aus Straftaten die Leitlinie aufgestellt, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Eine Bestrafung plus volle Besteuerung desselben Betrags kann mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit kollidieren. Indem der BFH die steuerliche Bemessungsgrundlage um eingezogene Bestechungsgelder kürzt, wird diese Kollision entschärft. Für die Praxis bedeutet das auch: Sollte jemals eine Doppelbelastung ohne Entlastung eintreten, stünde der Gang nach Karlsruhe (Verfassungsbeschwerde) im Raum. Durch die aktuelle Rechtsprechung ist jedoch klargestellt, dass Steuerrecht zurücktritt, wenn andernfalls ein übermäßiger Eingriff vorläge. Diese verfassungsrechtliche Dimension sollten Strafverteidiger im Hinterkopf behalten, auch wenn sie im konkreten Verfahren meist nur eine Hintergrundrolle spielt.

Praxisrelevanz: Worauf sollten Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter achten?

Für Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter birgt die BFH-Entscheidung wichtige Lehren. Zunächst macht sie deutlich, dass korruptives Verhalten erhebliche finanzielle Risiken mit sich bringt – über strafrechtliche Strafen hinaus. Wer glaubt, ein Schmiergeld sei “netto” gewonnen, irrt: Spätestens wenn die Behörden den Fall aufdecken, wird das Finanzamt die Hand aufhalten. Unternehmer sollten daher beachten, dass Bestechungszahlungen nicht als Betriebsausgabe abziehbar sind (Abzugsverbot) und im Zweifel sogar die Unternehmenssteuerlast erhöhen können, falls z.B. verdeckte Gewinnausschüttungen vorliegen. Mitarbeiter und Führungskräfte wiederum, die Bestechungsgelder annehmen, müssen gewärtig sein, dass sie persönlich steuerpflichtig werden. Das kann zur privaten Haftung für Steuernachzahlungen führen – oft Jahre später mit Zinsaufläufen – und zusätzlich zu empfindlichen Geldstrafen wegen Steuerhinterziehung.

Worauf sollten Betroffene und ihre Verteidiger nun besonders achten? Ein zentraler Punkt ist die Früherkennung von Risiken. Sobald sich Andeutungen von illegalen Zahlungen zeigen (etwa im Rahmen interner Revision oder Compliance-Hinweisen), sollte rechtlicher Rat eingeholt werden. Strafverteidiger, die Mandanten in Korruptionsfällen vertreten, sollten immer auch die steuerlichen Auswirkungen prüfen (gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Steuerberatern). Nur so lässt sich eine umfassende Verteidigungsstrategie entwickeln, die alle Folgen im Blick hat. Wichtig ist zudem, Doppelverfahren (Steuer und Strafrecht) strategisch anzugehen – wie oben beschrieben, am besten koordiniert. Schließlich sollten Unternehmen intern klare Regeln etablieren: Was gilt als zulässiges Geschenk oder Incentive, wo fängt unzulässige Vorteilsnahme an? Schulungen und klare Grenzwerte können Mitarbeiter vor Fehltritten bewahren – und damit das Unternehmen vor Skandalen und Steuerschäden.

Fazit:

Die BFH-Entscheidung vom 25.9.2024 ist ein Weckruf für die Praxis. Sie zeigt einerseits, dass der Fiskus auch in Korruptionsfällen seinen Anteil will, andererseits aber die Grenzen einer zulässigen Belastung. Für die Strafverteidigung eröffnen sich neue Argumentationslinien, um Mandanten vor unfairer Doppelbestrafung zu schützen. Letztlich unterstreicht der Fall, dass Korruption sich nicht lohnt – weder aus strafrechtlicher noch aus finanzieller Sicht. Unternehmen und Individuen sind gut beraten, gar nicht erst in diese Lage zu geraten. Sollte es doch zu Ermittlungen kommen, gilt es, umsichtig und ganzheitlich zu verteidigen, um Schaden von Mandanten so weit wie möglich abzuwenden.

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