1. Einleitung: Sanktionen als strafrechtliches Risiko
Mit dem 17. EU-Sanktionspaket gegen Russland verschärft die Europäische Union ihre Maßnahmen gegen den russischen Angriffskrieg erneut – und rückt Unternehmen noch stärker in den Fokus.
Was oft übersehen wird: Es handelt sich längst nicht mehr nur um außenwirtschaftliche Genehmigungsfragen. Wer gegen die Sanktionen verstößt, riskiert in Deutschland eine strafrechtliche Verfolgung – und mit der geplanten AWG-Reform wird diese Schwelle weiter abgesenkt.
2. Was regelt das 17. Sanktionspaket konkret?
Der Beschluss (GASP) 2025/931 des Rates vom 20. Mai 2025 enthält unter anderem:
- Aufnahme von 189 Schiffen in die Sanktionsliste (v. a. Tanker der sog. Schattenflotte).
- Erweiterung der Liste sanktionierter Güter, u. a.:
- Chemische Vorprodukte für Sprengstoffe
- CNC-Maschinenersatzteile
- Elektronik für Drohnen
- Halbleiter und metallische Speziallegierungen
- Listung von 31 weiteren Organisationen (teilweise in Drittstaaten), die mutmaßlich zur militärisch-technologischen Unterstützung Russlands beitragen
- Verbot maritimer Dienstleistungen (z. B. Wartung, Versicherung, Umladung) für betroffene Schiffe
- Verlängerung der Ausnahme für Ölexporte aus Sakhalin-2, aber unter schärferer Aufsicht
Diese Maßnahmen mögen technisch klingen – doch sie greifen tief in Unternehmensabläufe ein.
3. Strafbarkeit: Was Unternehmen jetzt wissen müssen
Die Vorschriften entfalten ihre Wirkung nicht nur auf der Ebene von Genehmigung und Zoll – sondern im Strafrecht. Die zentrale Frage lautet:
Wer haftet, wenn ein Unternehmen gegen diese Sanktionen verstößt?
Die Antwort: Geschäftsleiter, Exportverantwortliche und Compliance-Beauftragte. Die Strafbarkeit kann sich insbesondere ergeben aus:
- § 18 Abs. 1 Nr. 1 AWG (aktuelle Fassung): vorsätzlicher Verstoß gegen EU-rechtliche Embargovorschriften → bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe
- § 19 AWG: Fahrlässige Verstöße – bislang eher selten verfolgt, aber durch die AWG-Novelle voraussichtlich verschärft
- § 130 OWiG / § 30 OWiG: Verbandsgeldbuße bei Organisationsverschulden möglich – bis zu 10 Mio. € (!) Bußgeld
Besonders relevant:
Bei Lieferketten über Drittländer (z. B. Türkei, VAE, China) kann bereits der Anschein von „Augenverschließen“ genügen, um bedingten Vorsatz oder zumindest fahrlässiges Verhalten zu begründen.
4. Gesetzesänderung in Deutschland: Strafbarkeit wird zur Regel
Die geplante Reform des Außenwirtschaftsgesetzes bringt eine drastische Verschärfung:
Fahrlässige Verstöße gegen EU-Sanktionen sollen künftig regelmäßig strafbar sein.
Unsere Kollegin Helena Vöge hat dies in ihrem lesenswerten Beitrag zur AWG-Novelle bereits analysiert:
Weiterlesen: Beitrag von Helena Vöge zur AWG-Reform
In ihrem Beitrag zeigt sie auf, wie die geplante Gesetzesänderung die Sanktionsdurchsetzung verschärfen soll – insbesondere durch die Strafbarkeit fahrlässiger Verstöße und eine Ausweitung der Unternehmensverantwortung.
5. Praxisfolgen: Was Unternehmen jetzt konkret tun sollten
Die Risiken betreffen nicht nur Großkonzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen mit internationalen Lieferbeziehungen, insbesondere in diesen Bereichen:
- Maschinen- und Anlagenbau
- Chemische Industrie
- Logistik und maritimer Sektor
- Elektronik- und Sensorikhersteller
- Technische Handelsunternehmen
Empfohlene Sofortmaßnahmen:
- Überprüfung bestehender Exporte auf neue Güterklassifikationen
- Bewertung aller Drittstaaten-Geschäfte auf mögliche Umgehungsrisiken
- Anpassung interner Sanktions-Compliance-Richtlinien
- Schulung von Exportverantwortlichen und Legal Teams
- Dokumentation von Prüfprozessen (Stichwort: Legal Shield)
6. Fazit: Strafrechtliche Konsequenzen werden Realität
Das 17. EU-Sanktionspaket zeigt: Die EU meint es ernst – und Deutschland wird folgen. Verstöße gegen Embargovorgaben sind längst nicht mehr bloßes Ordnungswidrigkeitenrisiko, sondern echtes Strafrecht.
Die Anforderungen an Sorgfalt und Dokumentation steigen – und mit ihnen die persönliche Haftung.
Wir unterstützen Sie bei der Risikoanalyse, Compliance-Prüfung und der präventiven Absicherung Ihrer Geschäftsabläufe. Kontaktieren Sie uns frühzeitig, bevor Ermittlungsbehörden es tun.